Wenn wir unsere Klient*innen im Gespräch fragen, was Sie mit Cannabis verbinden, dann sind die häufigsten Antworten: Ruhe im Kopf, Entspannung & Loslassen, aber auch Konzentration & Fokus. Dinge, die Spaß machen, sind im berauschten Zustand noch spaßiger. Nicht selten hören wir auch, es sei eine Pause von der Realität, ein Vergessen von schwierigen Lebensverhältnissen und Schicksalsschlägen, welche sie meistern müssen.
“Und was führt Sie nun in die Suchtberatungsstelle?” fragen wir anschließend. Die Antworten auf diese Frage sind ebenso verschieden. Häufig sind es nahe Familienangehörige, die sich um die Person sorgen und sie ermutigen zu uns zu kommen. Manchmal sehen die Betroffenen selbst (noch) keinen Handlungsbedarf für sich und wollen einfach sehen, wo sie stehen. Für manche bestätigt sich ihr Bauchgefühl, dass sie einen für sich guten Umgang mit Cannabis haben. Andere wiederum stellen vielleicht fest, dass sie etwas verändern sollten, um langfristige Folgen zu verhindern. Für uns als Berater*innen ist das natürlich ein best case Szenario: wenn Menschen frühzeitig den Weg in die Beratungsstelle finden und ihre Situation viele Handlungsspielräume zulässt. Im beruflichen Alltag finden wir jedoch oft eine andere Realität vor, nämlich, dass die Suchtberatungsstelle als letzte Instanz in Anspruch genommen wird und die Menschen so verzweifelt sind, dass sie nicht mehr weiter wissen. Oft sind viele Dinge bereits im Argen, die Betroffenen haben aufgrund ihres übermäßigen Konsums vielleicht ihren Job verloren oder Beziehungen sind zerrüttet, die ihnen eigentlich sehr wichtig sind. Bis hin zu einer Cannabisabhängigkeit, die unter Umständen einer therapeutischen Behandlung bedarf. Statistiken belegen diesen Eindruck. Von den ca. 4,5 Millionen Menschen, die Cannabis gebrauchen, leiden ca. 13% (600.000) an einer cannabisbezogenen Störung, aber nur 5% (30.000) werden in der Suchthilfe vorstellig (DBDD/IFT 2022 Reitox Bericht, Neumeier et al. 2023). Wenn sich das, was ihnen am Anfang (und teilweise auch jetzt noch) in der Alltagsbewältigung hilft, gleichzeitig zur Ursache von Problemen und Streitigkeiten wird, dann erkennen viele Betroffene, dass sie ihren Cannabiskonsum alleine nicht mehr geregelt bekommen und Unterstützung brauchen.
Mit unseren Angeboten möchten wir die Menschen, die zu uns kommen dort abholen, wo sie gerade stehen. Es ist längst bekannt, dass der Cannabiskonsum bereits im frühen Jugendalter (im Durchschnitt mit ca. 14,7 Jahren) beginnt (DBDD/IFT 2022 Reitox Bericht, Neumeier et al. 2023). Deshalb bieten wir neben unseren Cannabispräventionsworkshops an Schulen auch einen FreD-Kurs an. Die Workshops sprechen insbesondere Jugendliche an. FreD steht abgekürzt für „Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsument*innen“. Dieser 2-tägige Kurs ist für Jugendliche und junge Heranwachsende, die in der Regel erstmals durch den Besitz von Cannabis für den Eigengebrauch polizeilich aufgefallen sind. Denn auch das neue Cannabisgesetz verbietet den Besitz von Cannabis für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Daher können Minderjährige weiterhin polizeilich auffällig werden, wenn sie mit Cannabis erwischt werden.
Das 8-stündige Kursangebot umfasst detaillierte Informationen aus den Bereichen Recht, Drogenkunde und Ursachen von Sucht. Die Kursteilnehmenden sollen sich mit ihrem Konsummuster auseinandersetzen und in der Gruppe Verhaltensalternativen erfahren. Grundlegendes Ziel von FreD ist es die Entwicklung zu einem missbräuchlichen bzw. abhängigen Drogenkonsum zu verhindern und damit eine erneute Auffälligkeit mit entsprechenden negativen Folgen zu vermeiden. Auch Schulen und Jugendämter sind als Zugangswege für die Teilnahme am FreD-Kurs möglich. Des Weiteren können Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendhäuser o.ä. einen solchen Workshop bei uns buchen, wenn bekannt ist, dass dort mit Drogen experimentiert wird.
Junge Menschen finden nicht nur durch die polizeiliche Auffälligkeit den Weg zu uns. Es sind insbesondere auch Erziehungsberechtigte, die sich um ihre Schützlinge sorgen und sich deswegen hilfesuchend an die Beratungsstelle wenden. Das ist in unserem Sinne, denn wir finden es besonders bei Minderjährigen wichtig, nicht nur mit den Jugendlichen zu arbeiten, sondern auch die Eltern in die Beratung einzubeziehen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass dadurch eine nachhaltige Verbesserung der familiären Situation erst möglich wird.
Deshalb bieten wir Rahmen des FriDA-Projekts (Frühintervention bei Drogenmissbrauch in der Adoleszenz) eine systematisch-familienorientierte Beratung bei jugendlichen (bis 21 Jahre) Cannabiskonsum an.
Dieses Angebot ist kostenlos und findet in der Beratungsstelle statt. Wenn der Konsum ein dauerhaftes Streitthema zwischen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen ist, dann leidet die Eltern-Kind-Beziehung sehr darunter. Eine neutrale fachkundige Person kann sie dabei unterstützen miteinander in Verbindung zu kommen und das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen.
Familien, die mehr Unterstützung benötigen, haben die Möglichkeit eine Aufsuchende Familientherapie (AFT) zu beantragen. Hier findet die Unterstützung durch unsere Co-Therapeuten-Teams im häuslichen Umfeld statt und es wird die gesamte Familie einbezogen. Die Sitzungen dauern in der Regel 1,5 Stunden. Die AFT wird für 6 Monate bewilligt, umfasst 12 Sitzungen und kann bis zu einem Jahr verlängert werden. Die Kosten werden vom Jugendamt übernommen. Bei der AFT geht es um die Verbesserung der Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen, darum, das Misstrauen abzubauen, die Gesprächsbereitschaft wieder zu fördern und damit die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern zu stärken oder neu zu beleben.
Natürlich kommen auch Menschen zu uns, bei denen es sich klar um eine Cannabisabhängigkeit handelt. Für sie kann eine suchttherapeutische Behandlung sinnvoll sein. Gemeinsam im Gespräch suchen wir hier die geeignete Behandlungsform.
Die von uns angebotene Ambulante Rehabilitation umfasst ein differenziertes Behandlungsangebot bei Drogen- Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit. Dieses orientiert sich mit Einzel- und/oder Gruppengesprächen sowie themenbezogenen Gruppen an den Bedürfnissen und Fähigkeiten jeder einzelnen Person. Kostenträger dieser Maßnahme sind die Rentenversicherungsträger oder die jeweils zuständigen Krankenkassen.
Nach abgeschlossener Therapie oder auch bei eigenständig erreichter Abstinenz, besteht die Möglichkeit sich unserer Selbsthilfegruppe für “cleane” Drogenabhängige (SHG) anzuschließen.
Unsere Angebote haben insbesondere eines gemeinsam: der Fokus liegt auf der Entwicklung von Drogenmündigkeit – der Fähigkeit, informierte Entscheidungen über den eigenen Konsum zu treffen und verantwortungsvoll damit umzugehen. Unsere Beratung hierzu ist zieloffen und richtet sich an den individuellen Bedarf sowie die selbst gesteckten Ziele. Daher bieten wir Beratung von risikominimierenden Ansätzen über Konsumreduktion bis hin zur Abstinenz offen an.
Mehr Infos über Cannabis und Präventionsangebote gibt es auf folgenden Seiten:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html
Auf der FAQ Seite des Bundesgesundheitsministeriums findet ihr schnell und übersichtlich Antworten rund um das Cannabisgesetz.
https://shop.bzga.de/pdf/34003002.pdf
Eine Broschüre mit kurzen & prägnanten Informationen über Cannabis.
https://www.infos-cannabis.de/
Die Informationskampagne “Cannabis: Legal,aber…” des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) möchte besonders junge Menschen dazu motivieren, sich über die psychischen, sozialen und körperlichen Risiken des Cannabiskonsums zu informieren.
https://www.drugcom.de/drogen/alles-ueber-cannabis/drugcom
Drugcome hält ausführliche Informationen zu Cannabis bereit, inklusive Aufklärungsvideos und Selbsttest für Konsument*innen.
Aktuelle Präventionsangebote, Materialien und Methoden:
https://www.cannabispraevention.de/
Ein umfangreiches Aufklärungsangebot über Cannabis für Jugendliche, Eltern und Fächkräfte bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
https://www.feelok.de/de_DE/jugendliche/themen/cannabis/cannabis.cfm
Auf der digitalen Plattform feel ok des bwlv sind viele Angebote, Materialien und Methoden zur Cannabisprävention für Lehrkräfte sowie Multiplikator*innen zu finden.
https://www.meine-zeit-ohne.de/
Als Projekt oder in vielen anderen Einsatzformen, bietet die appbasierte Challenge Schüler*innen ab Klassenstufe 9 an Berufsschulen und allgemeinbildende Schulen eine Möglichkeit zur Gewohnheitsänderung.
https://lss-bw.de/projekte/#aktiveprojekte
Der Digitale Lerncampus der LSS wird in Kürze ebenfalls ein Modul zur Cannabisprävention für Fachkräfte freischalten.
Wer an seinem Konsum etwas verändern oder aufhören möchte, kann folgendes digitales Angebot nutzen:
https://www.quit-the-shit.net/qts/
Beim Programm Quit the Shit werden die Konsument*innen von einem professionellen Beratungsteam beim Erreichen ihres individuellen Konsumziels unterstützt.